Firmenflotte elektrifizieren: Fahrprofile analysieren & Ladeplanung
Die erfolgreiche Elektrifizierung einer Firmenflotte beginnt nicht bei der Hardware, sondern bei den Daten. Wer Fahrprofile systematisch erfasst und auswertet, plant Ladeleistung, Lademix und Standorte zielgenau, vermeidet Überdimensionierung und reduziert Betriebskosten. Dieser Praxis-Guide führt Schritt für Schritt durch Analyse, Dimensionierung und Umsetzung – kompakt, verständlich und direkt anwendbar.

PRO-CHARGE Team
Datum 22.10.2025
Lesedauer: 6 Minuten

Fahrprofile erfassen: Welche Daten wirklich zählen
Für ein belastbares Bild der Nutzung reichen oft bereits vier Wochen, optimal sind acht bis zwölf. Entscheidend sind tägliche Kilometer je Fahrzeug, typische Standorte und Standzeiten, Abfahrts- und Rückkehrfenster, saisonale Verbräuche in kWh pro 100 Kilometer sowie gelegentliche Spitzen und Ausreißer. Ergänzend hilft der Blick auf Fahrzeugklassen und die jeweilige AC- und DC-Ladefähigkeit. Telematik liefert die präzisesten Werte; sofern sie noch nicht verfügbar ist, sind Tank- und Fahrtbuchdaten ein guter Startpunkt.
Von Daten zum Design: Cluster bilden
Aus den Fahrdaten lassen sich klare Nutzungsmuster ableiten. Manche Fahrzeuge kehren täglich ins Depot zurück und stehen nachts lange; andere absolvieren Tagestouren mit kurzen Stopps; wieder andere sind im Außendienst mit stark variierenden Profilen unterwegs. Indem Sie diese Gruppen trennen, weisen Sie jedem Cluster den passenden Lademix zu. Depotfahrzeuge profitieren überwiegend von planbarem AC-Laden über Nacht. Fahrzeuge mit kurzen Tagesfenstern benötigen punktuell DC-Leistung. Außendienstfahrzeuge sichern Sie durch einen Mix aus Office-AC und geregeltem Roaming ab.
Ladebedarf berechnen: die einfache Kernformel
Die Tagesenergie eines Fahrzeugs ergibt sich aus den Tageskilometern multipliziert mit dem Verbrauch und dividiert durch 100. Die Standortenergie ist die Summe aller Fahrzeuge am jeweiligen Standort. Daraus folgt die notwendige mittlere Ladeleistung, indem Sie die Standortenergie durch das verfügbare Ladezeitfenster und den Wirkungsgrad teilen. Ein Beispiel verdeutlicht die Größenordnung: Zwanzig Transporter legen im Schnitt 80 Kilometer pro Tag zurück. Bei 20 kWh je 100 Kilometer entspricht das 16 kWh pro Fahrzeug und 320 kWh pro Tag am Depot. Bei zehn Stunden Nachtladefenster und einem Wirkungsgrad von 0,9 genügt eine durchschnittliche Standortleistung von rund 36 kW. In der Praxis deckt ein Set aus mehreren 11-kW-AC-Punkten mit intelligentem Lastmanagement diesen Bedarf bequem ab; Reserven für Spitzen inklusive. DC wird erst dann zwingend, wenn Standzeiten knapp sind oder tagsüber regelmäßig nachgeladen werden muss.
AC oder DC: die Entscheidung in einem Satz
Je länger die planbare Standzeit, desto sinnvoller ist AC. Je kürzer die verfügbare Ladezeit bei gleichzeitig hohem Nachladebedarf, desto eher braucht es DC-Leistung als Ergänzung. Für Nacht- und Depotladen ist AC meist die wirtschaftlichste Wahl, während DC als taktische Schnelllade-Option für enge Zeitfenster dient.
Anzahl und Verfügbarkeit: die richtige Dimension
Planen Sie die Zahl der Ladepunkte so, dass auch in Spitzenzeiten ausreichend Puffer vorhanden ist und künftiges Flottenwachstum berücksichtigt wird. In unserem Beispiel mit zwanzig Depotfahrzeugen ist ein Startkorridor von acht bis zehn AC-Punkten sinnvoll, ergänzt um einen einzelnen DC-Platz für eilige Fälle. Softwaregestütztes Queueing sorgt dafür, dass Fahrzeuge rechtzeitig die benötigte Energie erhalten und Ladeplätze nicht blockiert bleiben.
Lastmanagement, Netzanschluss und Energiequellen
Dynamisches Lastmanagement priorisiert Fahrzeuge nach Abfahrtszeit, State of Charge und Tourenrelevanz, glättet Lastspitzen und senkt damit Leistungspreise. PV-Überschuss lässt sich gezielt ins Laden lenken, Batteriespeicher puffern kurze DC-Spitzen und verbessern die Netzintegration. Tariflogiken mit günstigen Zeitfenstern – etwa nachts – senken die Stromkosten zusätzlich und lassen sich automatisiert abbilden.
Standorte klug kombinieren
Das Depot bleibt der zentrale Ladeort, weil Planbarkeit und Kostenkontrolle hier am höchsten sind. Am Arbeitsplatz steigert Laden die Verfügbarkeit von Dienstwagen und schafft Reichweitenpuffer. Opportunitätsladen beim Kunden oder im Parkhaus ist ein nützliches Add-on, ersetzt aber keine Depotstrategie. Öffentliches Roaming funktioniert als Rückfallebene, sollte jedoch mit klaren Prozessen und Budgetregeln geführt werden.
Software, Abrechnung und Skalierbarkeit
Eine professionelle Backend-Lösung steuert Ladepläne, Prioritäten und Nutzer. RFID-Karten oder Apps vereinfachen den Zugang, Roaming erweitert die Reichweite. Für die Abrechnung ist eine kWh-genaue, steuerkonforme Trennung von dienstlichen und privaten Ladevorgängen – insbesondere bei Dienstwagen – entscheidend. Offene Schnittstellen und OCPP-Kompatibilität sichern Anbieterfreiheit und Skalierbarkeit für zukünftige Ausbaustufen.
Pilotphase und Rollout
Beginnen Sie mit einem überschaubaren Piloten von zehn bis zwanzig Prozent der Flotte über acht bis zwölf Wochen. Messen Sie belastbare Kennzahlen wie Kosten pro 100 Kilometer, Ladeerfolgsquote, Ausfallzeiten, CO₂-Reduktion und Zufriedenheit der Fahrerinnen und Fahrer. Passen Sie Positionen, Zeitfenster und Regeln iterativ an und übertragen Sie die Erkenntnisse in Wellen auf den gesamten Fuhrpark.
Change Management: der Faktor Mensch
Schulung und klare Spielregeln sind der Hebel für Akzeptanz. Fahrerinnen und Fahrer sollten die reale Reichweite, die Ladeetikette und den Umgang mit App oder Karte sicher beherrschen. Transparente Verantwortlichkeiten und ein schneller Supportkanal verhindern Frust und sichern die Verfügbarkeit der Fahrzeuge.
Praxisbeispiel: eine kompakte Ladematrix in Worten
Ein Depot mit zwölf nächtlich zurückkehrenden Fahrzeugen lädt planbar über acht bis zehn Stunden an AC-Punkten mit 11 kW. Fünf Fahrzeuge mit engem Tagestakt erhalten einen einzelnen DC-Schnellladepunkt mit 60 bis 100 kW als Puffer, ergänzt durch einige zusätzliche AC-Anschlüsse für ruhigere Tage. Drei Außendienstfahrzeuge nutzen überwiegend Office-AC als Basis, während geregeltes Roaming die seltenen Langstreckentage abdeckt. Diese Kombination minimiert Invest und Netzanschlusskosten, ohne die Einsatzbereitschaft zu gefährden.







